Mit Kind im Krankenhaus
Das Kind im Krankenhaus - für Familien eine beängstigende Situation. In ihr erleichtern Ehrlichkeit, Nähe und Ablenkung den Umgang mit einer Erkrankung.
Text: Antoinette Schmelter-Kaiser
„Schmetterlingswirbel“ klingt schön. Doch für die anderthalbjährige Nele und ihre Eltern hatte dieser Befund 2017 belastende Folgen: Um einen Buckel zu verhindern, musste Neles Fehlbildung der Wirbelsäule aufwendig operiert und danach dauerhaft in ein stützendes Korsett eingebettet werden. „Für uns brach eine Welt zusammen“, erinnert sich Anna Hintzen. „Mehrere Eingriffe waren unvermeidbar. Nach dem ersten Schock waren mein Mann und ich uns einig: Das kriegen wir mit der Hilfe von Fachärzten hin! Das haben wir auch unserer Tochter ehrlich erklärt: Du hast ein Rückenproblem. Aber dafür gibt es eine Lösung.“
Mit Reden und Büchern vorbereiten
Bei den folgenden Untersuchungen und Arztgesprächen wurde Nele kindgerecht einbezogen und auf ihren ersten Krankenhausaufenthalt mit einem Buch vorbereitet, das alle Abläufe und Abteilungen einer Kinderklinik mit bunten Bildern zeigt. Sabrina Oppermann, Bundesvorsitzende des Aktionskomitees Kind im Krankenhaus (AKIK), befürwortet diese Vorgehensweise: „Es ist verständlich, Kinder vor unangenehmen Wahrheiten schützen zu wollen“, erklärt sie. „Aber wenn man Erkrankungen und schmerzhafte Behandlungen verschweigt oder verharmlost, verlieren Kinder das Vertrauen. Sie sollten wissen, was mit ihnen los ist und was auf sie zukommt.“
Besuch beim Kind im Krankenhaus
„Wir sind mit maximaler Transparenz gut gefahren“, bestätigt Anna Hintzen. „Nele war eingeweiht und auf beängstigende Situationen vorbereitet.“ Außerdem hatte sie während des stationären Aufenthalts immer ein Elternteil als Begleitperson an der Seite, das dank einer großzügigen Besuchsregelung auch über Nacht bleiben konnte. Machten Mama und Papa Pause, kamen die Großeltern oder eine Cousine so dosiert als Ablösung, dass es für Nele nicht zu anstrengend wurde. „Kinder brauchen während eines Krankenhausaufenthalts regelmäßig Besuch, um sich nicht allein zu fühlen“, so Sabrina Oppermann. „Krankenhausärzte und Pflegepersonal behandeln und versorgen sie; für mehr bleibt ihnen leider oft keine Zeit.“
Zeit, Zuwendung und ein offenes Ohr
Ideal findet sie vor allem bei kleineren Kindern die Anwesenheit einer Vertrauensperson. Geht das nicht, weil Alleinerziehende arbeiten und Geschwister betreut werden müssen oder eine Kinderklinik weit entfernt ist, können ehrenamtliche Besuchsdienste einspringen. Sie werden auch durch das AKIK organisiert und schenken kleinen Patienten Zeit, Zuwendung und ein offenes Ohr. „Manche möchten die Eltern nicht mit ihren Ängsten belasten und können Fremden leichter erzählen, was sie bedrückt“, beschreibt Sabrina Oppermann diese Alternative. In jedem Fall seien Zuhören, Fragen und ein interaktiver Austausch hilfreich, damit sich Kinder mit ihren Bedürfnissen verstanden fühlen. Überdies gebe es Psychologen und Seelsorger als kompetente Ansprechpartner.
Kontrastprogramm für die Genesung
Doch nicht nur menschliche Nähe kann trösten und Optimismus verbreiten. Vertraute Kuscheltiere, Schmusedecken oder -kissen geben Kindern im Krankenzimmer ebenfalls Halt. Bei Nele übernahm nach ihrer ersten OP eine Puppe diese Rolle. „Die bekam auch Pflaster, Schläuche und Verbände, wurde bemuttert und gesund gepflegt“, sagt Anna Hintzen. „So hat unsere Tochter ihre Situation im Spiel verarbeitet.“ Als Lichtblick im Krankenhausalltag dienten außerdem Bilder von Freunden und Familienfotos an Neles Bett; zur Ablenkung durfte die Kleine ihre Lieblingsmusik und -geschichten hören oder Filme auf dem Tablet anschauen. „In dieser Ausnahmesituation darf man Kinder verwöhnen“, beruhigt Sabrina Oppermann. „Jedes Kontrastprogramm zu ihrer Erkrankung erleichtert die Genesung.“
Lob für eine liebevoll-ehrliche Art
Mittlerweile hat Nele drei Operationen hinter sich. Weitere stehen aus, weil sich ihre Wirbelsäule im Wachstum verändert, was chirurgisch korrigiert werden muss. „Trotzdem hat sie keine Angst vor dem nächsten Krankenhausaufenthalt“, freut sich Anna Hintzen. „Stattdessen fragt sie, wann sie wieder ihre Tasche packen soll – so normal sind ihre Erkrankung und die Eingriffe für sie geworden.“ Für die liebevoll-ehrliche Art, wie sie und ihr Mann Nele begleiten, bekamen sie von einer Krankenschwester großes Lob. „Sie meinte, wir hätten das sehr gut gemacht. Unser Weg sei genau der richtige.“
Video
Die Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Leipzig erklärt hier kindgerecht und spielerisch, wie kleine Patienten nach einem Unfall im Krankenhaus behandelt werden.
Lektüretipps
Internetseiten, die Eltern informieren und ihnen weiterhelfen, sowie Bücher, die Kinder spielerisch-unterhaltsam auf einen Krankenhausaufenthalt vorbereiten können.
„Krankenhaus: Mit anderen Augen“
von Michaela Schwarz und Bernd Lehmann (Circon): Wissenswertes über den Klinikalltag, der mit detaillierten Illustrationen Kinder ab fünf Jahren aus verschiedenen Perspektiven anschaulich erklärt wird.
„Pusten, trösten, Pflaster drauf“
von Bernd Penners und Henning Löhlein (Ravensburger): interaktives Spielbuch mit fünf wiederverwendbaren Pflastern, das Kinder ab zwei Jahren mit Reimen zeigt, wie Wunden wieder heilen können. Von Neles Mutter praxiserprobt und als sehr hilfreich empfunden.
„Krankenhaus: Mein Sach- und Spielbuch“
von Sophie Prénat und Caroline Attia (Gerstenberg): Einblicke in einzelne Klinikabteilungen mit 15 Spielelementen zum Ziehen, Drehen, Schieben sowie Auf- und Zuklappen, das Kindern bis ins Grundschulalter Spaß macht und sie gleichzeitig informiert.
akik.de
Internetseite des Aktionskomitees Kind im Krankenhaus. Unter Downloads findet sich ein „10 Bitten Flyer“ mit hilfreichen Empfehlungen für Eltern. Außerdem können ein Malbuch und ein Comic, die Kinder spielerisch an Krankenhausaufenthalte heranführen, angefordert werden.
dgkj.de
Portal der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, auf der sich auch eine Liste mit Kinderkliniken, Kinderkrankenhäusern und -abteilungen in Deutschland findet, die die Versorgung von Kindern und Jugendlichen anbieten.
krankenhaus.de
Unter dem Stichwort „Wenn das Kind ins Krankenhaus muss“ gibt es im Magazinteil viele praktische Anleitungen, Rechtliches, Packlisten und Hinweise für alle notwendigen Unterlagen zum Mitnehmen.
Zur Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser ist Mutter einer Tochter. Zum Glück musste die heute 22-Jährige noch nie ins Krankenhaus. Sie selbst wurde aber schon mehrfach operiert und weiß, wie wichtig die Anteilnahme lieber Menschen und das Wissen um den eigenen Zustand während eines Klinikaufenthalts sind.
Stand: Oktober 2021
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