Impfen gegen Krebs — wie geht das?
Was bringen Impfungen gegen Krebs – vorsorgend und als Immuntherapie, jetzt und in Zukunft? Neue vielversprechende Krebstherapien und Aktuelles zum Stand der Krebsforschung.
Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Krebstherapien werden immer besser: Sie sind individueller und können die körpereigene Immunantwort stärken. Aber auch eine klassische Impfung gegen Krebs verursachende Viren wie HPV hilft.
Inhaltsverzeichis
Was ist Krebs?
Laut Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) erkranken in Deutschland jährlich rund eine halbe Millionen Menschen an Krebs. Noch immer sterben viele daran, doch seit einigen Jahren ist die Forschung zunehmend vielversprechend: Es gibt neue Erkenntnisse und Projekte mit ersten guten Ergebnissen! Hier zunächst eine Antwort auf die Frage: Was ist eigentlich Krebs? Ein Erwachsener besteht aus 1014 oder 100 Billionen einzelnen Zellen. Jede Sekunde sterben rund 50 Millionen Zellen ab und bilden sich neu durch Zellteilung. Diese Zellteilung funktioniert aber leider nicht immer perfekt. Es entstehen so viele Mutationen, dass unser Immunsystem nonstop damit beschäftigt ist, sie zu bekämpfen. Das muss es, weil Krebszellen sich anders als normale Zellen unkontrolliert vermehren und in gesundes Gewebe hineinwachsen können. Meistens gelingt es unserer Immunabwehr mithilfe seiner T-Zellen, die wie Wächter-Zellen kranke oder abnormal wachsende Zellen sowohl als Fremdkörper erkennen und bekämpfen, als auch veränderte Körperzellen aufspüren und zerstören. Vorausgesetzt, ein Mensch hat keine ausgeprägte genetische Veranlagung für eine bestimmte Krebserkrankung. Auch Karzinogene, wie zum Beispiel Raucher sie zu sich nehmen, behindern die Immunantwort. Entzündungen lenken von Krebszellen ab. Sogar starkes Übergewicht scheint zu einer chronischen Entzündung im Körper zu führen, die zur Krebsentstehung beitragen kann. Außerdem versuchen Krebszellen, ihre Zerstörung zu verhindern, indem sie sich tarnen.
Von Krebsarten und Tumorgewebe
Krebs ist auch nicht gleich Krebs. Manche Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs verursachen lange keine Beschwerden, andere entwickeln sich langsam und bilden gut sichtbare Vorläufer wie Polypen im Darm. Das ist Schleimhautgewebe, das entarten könnte, aber nicht muss – im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung wie der Darmspiegelung werden Polypen einfach entfernt. Auch zwischen verschiedenen Tumorarten unterscheiden die Fachärzte in der Onkologie. Sie bezeichnen sie je nach Tumorgewebe: Ein Fibrom besteht aus Bindegewebe, ein Lipom aus Fettgewebe, ein Myom aus Muskelgewebe, um weitere, häufige Tumorarten zu nennen, die mehr oder weniger gutartig sein können. Denn auch ein Polyp ist ein Tumor, ein gutartiger zunächst und natürlich nicht vergleichbar mit dem bösartigsten von allen: einem Glioblastom im Gehirn. Es zeigt: Keine Therapie kann gleichermaßen für alle passen.
Impfen gegen Gebärmutterhalskrebs
Eine Impfung gegen Krebs klingt noch nach mehr Hoffnung als Wirklichkeit. Oder? Impfungen gegen Auslöser von Krebs gibt es schon seit über zwei Jahrzehnten. Eine Impfung gegen Hepatitis B beugt Leberschäden und damit letztlich Leberkrebs vor. Humane-Papilloma-Viren (HPV) verursachen Krebsvorstufen und Krebsarten wie Gebärmutterhals- oder Analkrebs, auch Karzinome im Mund. Sie werden beim Sexualverkehr übertragen, weswegen eine Impfung gegen HPV vor „dem ersten Mal“ empfohlen wird. Prof. Dr. med. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (DSTIG) erklärt: „Manchen Eltern mag die Altersempfehlung für die HPV-Impfung ab neun Jahren recht früh erscheinen. Hier muss man bedenken, dass HPV-Viren auch durch enge körperliche Kontakte, wie sie bei Kindern häufig erfolgen, und nicht nur durch Geschlechtsverkehr übertragen werden können.“ Die BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER übernimmt die Kosten auch für junge Erwachsene im Rahmen des 250 Euro-Vorteils-Pakets: HPV-Impfung
Wie wirkt eine therapeutische Impfung gegen Krebs?
Doch die meisten Krebsarten werden nicht durch Infektionen ausgelöst. Prof. Dr. Niels Halama leitet am DKFZ die Abteilung Translationale Immuntherapie sowie die Forschungsgruppe Adaptive Immuntherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Er gehört zu den Forschern, die sich mit der therapeutischen Impfung gegen Krebs befassen. Sie soll wirken, wenn ein Patient bereits an Krebs erkrankt ist. Prof. Halama: „Das Ziel besteht darin, das Immunsystem in die Lage zu versetzen, den Tumor zu erkennen und mit den zur Verfügung stehenden Waffen zu bekämpfen.“ Um das zu erreichen, arbeiten Wissenschaftler wie er und andere Pioniere schon länger mit mRNA-Technologie, die mit der Corona-Impfung populär wurde. Prof. Halama erklärt: „Im Vergleich zu einer herkömmlichen Impfung dreht man den Produktionsprozess um: Die 'fremde' Struktur, die das Immunsystem erkennen soll, wird nicht mehr im Labor hergestellt, sondern der Körper produziert sie selbst. Die geimpfte mRNA ist dabei der Bauplan. Bei der Corona-Impfung stellen die Zellen ein Protein her, das sonst auf der Oberfläche des Virus sitzt. Bei einer Impfung gegen Krebs spritzen wir den Bauplan für ein Protein, das für diesen Tumor spezifisch ist.“ Außerdem sei dieser Bauplan mit der mRNA-Technologie individuell anpassbar. „Das versetzt den Produzenten in die Lage, sehr schnell einen personalisierten Impfstoff herstellen zu können, der auf die biologischen Merkmale eines speziellen Tumors zugeschnitten ist. Wir reden dann nicht mehr von vielen Monaten oder Jahren, bis die Therapie zum Einsatz kommen kann, sondern von Wochen.“ Bei Lungen- und Hautkrebs scheint die therapeutische Impfung sich besonders gut zu eignen. Bei Patienten mit Metastasen weniger. Prof. Halama: „Es gibt zum Beispiel Patienten, bei denen der Tumor operativ entfernt wurde, wo vielleicht noch einzelne Tumorzellen im Körper zurückgeblieben sind. Da kann das Immunsystem natürlich ganz anders eingreifen als bei Patienten, bei denen sich schon Metastasen gebildet haben und die eine viel größere Tumorlast haben. Letztlich kann die Impfung auch nur dann erfolgreich sein, wenn das Immunsystem überhaupt in der Verfassung ist, den Tumor zu bekämpfen.“
Video: Immuntherapie bei Krebs
Was können die neuen Immunpräparate, was bringt eine Car-T-Zellentherapie? Hier sehen Sie die Dokumentation des SWR zum Thema „Neue Waffe gegen Krebs macht Hoffnung - Immuntherapie bei Krebs“. Sie berichtet über Menschen, die bei unterschiedlichen Krebsarten mit der Immuntherapie behandelt wurden.
Spezielle Immunzellen kämpfen gegen verschiedene Krebsarten
Inzwischen sind mehrere mRNA-Impfstoffe gegen verschiedene Krebsarten in der klinischen Prüfung – teilweise in Kombination mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Das sind Wirkstoffe, die die Immunantwort gegen Tumore verstärken. Auch personalisierte Impfungen zur Therapie von Patienten in fortgeschrittenen Studien werden bereits geprüft, etwa bei Bauchspeicheldrüsenkrebs, schwarzem Hautkrebs und Darmkrebs. Prof. Dr. Özlem Türeci, Professorin für personalisierte Immuntherapie am Helmholtz-Institut für Translationale Onkologie (HI-TRON) und Mitbegründerin von BionTech, erklärt, dass es ihr bei neuen Krebstherapien darum gehe, vor allem „das Behandlungsergebnis für eine Reihe von Tumoren zu verbessern, für die die Möglichkeiten gegenwärtig noch sehr begrenzt sind“. Ein Zauberwort ist für sie „BNT211“. Diese Therapie kombiniert verschiedene Methoden: spezielle Immunzellen, die die Krebszellen angreifen, und einen Impfstoff, um diese Immunzellen zu stärken. Die Anwendung könnte einmal Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen helfen. Erste Studien sind vielversprechend, aber es dauert Jahre, bis eine Therapie zugelassen ist.
„Bei einer Impfung gegen Krebs spritzen wir den Bauplan für ein Protein, das für diesen Tumor spezifisch ist.“
Prof. Dr. Niels Halama, Tumorimmunologe am DKFZ und HI-TRON Mainz
Immuntherapie und/oder klassische Krebstherapie?
Für die meisten Patienten wird auch in Zukunft eine Impfung, die eine heilsame Immunantwort gegen Krebs auslöst, nicht das alleinige Heilmittel sein. „Keine der Therapien passt hundertprozentig auf alle Tumorarten oder Stadien einer Krebserkrankung“, erklärte Prof. Andreas Mackensen, Krebsforscher am Uni-Klinikum Erlangen und Präsident des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF), in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Klassische Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie sind nicht Geschichte, die neuen Möglichkeiten ergänzen sie. Mal sei eine operative, mal eine moderne chemische Therapie aussichtsreicher. „Noch bis vor etwa zwölf Jahren gab es für Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem metastasiertem Hautkrebs wenig Möglichkeiten für ein Langzeitüberleben bei guter Lebensqualität. Das hat sich grundsätzlich durch neue medikamentöse Behandlungen geändert“, bestätigt Professor Dr. med. Michael Hertl, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Marburg. Die Forscher setzen auch auf eine Kombination aus Impfung und CAR-T-Zelltherapie. Bei diesem Verfahren werden den Patienten weiße Blutkörperchen entnommen und im Labor genetisch so verändert, dass sie ein Protein der Tumorzellen erkennen und angreifen können. Der mRNA-Impfstoff richtet die T-Zellen des Immunsystems zusätzlich auf das Antigen aus. CAR-T-Zelltherapien mit genetisch manipulierten Zellen scheinen bislang zwar nur bei wenigen Krebsarten wie Knochenmarkkrebs oder Blutkrebsarten einsetzbar zu sein, sind dort aber überraschend erfolgreich. „Die eindrucksvollsten Daten gibt es bei ausbehandelten kindlichen Leukämien“, berichtete Dirk Jäger, Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen in Heidelberg, in einer SWR-Sendung. „Dort kann man mit CAR-T-Zellansätzen 80 Prozent der Kinder, die sonst überhaupt keine andere Therapieoptionen mehr hätten, tatsächlich heilen."
Zur Autorin: Karen Cop ist Gesundheitsjournalistin und hat gehörigen Respekt vor Krebs, seit ein Freund jung daran starb. Mit den Jahren hat sie aber viele Menschen kennengelernt, die erfolgreich geheilt wurden oder damit leben „wie mit anderen chronischen Krankheiten auch“. Danke, Fortschritt!
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