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Gesund

Long COVID: Fakten und Erfahrungsberichte

Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und psychische Probleme gehören zu den häufigsten Symptomen von Long COVID. Was steckt dahinter, was können Betroffene tun?

Text: Karen Cop

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:

Wer mit dem Coronavirus infiziert war, hat die Krankheit nicht automatisch überstanden. Immer mehr Menschen leiden an dem noch unerforschten Krankheitsbild von Long COVID und Post-COVID. Ein Erfahrungsbericht mit Hintergründen und Fakten aus Alltag und Forschung.

Fatigue: die totale Abgeschlagenheit

Vorgestern schlief Bettina S. 30 Stunden am Stück. „Ich habe keinen Wecker gehört, nicht die Anrufe meiner Kolleginnen, nichts“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Die 27-Jährige ist Krankenschwester, Schichtdienst gewöhnt, eine Zupackende, auf die man sich verlassen kann. Seitdem sie sich vor zwei Monaten mit SARS-CoV-2 angesteckt hatte und „eher milde, nicht besonders schwer“ erkrankte, fühlt sie sich oft so müde, dass sie öfter aus heiterem Himmel einschläft und kaum wach zu kriegen ist. „Mir sind schon beim Essen einfach die Augen zugefallen.“ Ihre Ärzte sprechen von Fatigue, chronischem Erschöpfungssyndrom und Long COVID, weil ihre Beschwerden seit mehr als vier Wochen nach der Infektion fortbestehen.

Keine Vorerkrankungen, aber Langzeitfolgen

„Post-COVID-Syndrom“ ist dagegen die Bezeichnung des Robert Koch-Instituts für das, was Meike C. nach Monaten noch quält. Die damals noch ungeimpfte Kinderärztin steckte sich Anfang 2020 mit der Delta-Variante an, als sie einen kranken dreijährigen Jungen auf das Virus testete. Sie lag viele Wochen auf der Intensivstation und schwebte zwischen Leben und Tod. Die 49-jährige, bis dahin kerngesunde Frau wurde künstlich beatmet und überlebte. Der Luftröhrenschnitt am Hals ist längst verheilt, aber ein großer Teil ihres Lungengewebes blieb zerstört.

Bis heute leidet Meike C. unter Kurzatmigkeit, wenn sie mit ihrer Familie spazieren geht oder in ihrer Kinderarztpraxis arbeitet. Das kann die Ärztin nur noch halbtags. Sie sei auch „sehr dünnhäutig geworden, psychisch einfach nicht mehr die Alte“. Dabei konnte die lustige Frau kleine Patienten und sorgenvolle Eltern immer sehr gut aufmuntern, dachte stets lieber positiv. „Für mich schien das Glas herrlich halbvoll statt halbleer, aber dieses Virus und die einsamen Wochen an der Maschine haben mich verändert. Manchmal erkenne ich mich selbst nicht mehr.“ Damit ist Meike C. nicht allein. Eine neue Studie der Universität Washington mit über einer Million Patienten aus 22 Ländern zeigte, dass 43,1 % der an COVID erkrankten Menschen, die auf einer Intensivstation behandelt werden mussten, Long COVID haben oder hatten.

Die lange unterschätzte Langzeitfolge nach COVID-19: Immer mehr Menschen klagen monatelang über schwere Erschöpfungszustände und können ihren Alltag kaum noch bewältigen.

Woran erkennt man Long COVID?

Überhaupt sind Meike C. und Bettina S. nur zwei Beispiele von vielen. Eigentlich hat fast jeder Freunde, Bekannte oder Kollegen, die davon erzählen, dass sie „irgendwie nicht mehr richtig auf die Beine“ kommen wegen Corona. Man läuft an ihnen vorbei: Frauen und Männern, die sich erzählen, dass sie seit Monaten todmüde sind, totale Blackouts haben und sich die ganze Wohnung mit Post-its als Erinnerungshilfen vollkleben oder ihren Job halbieren, weil sie ihn einfach nicht mehr schaffen. Oder sportlich wirkenden Menschen, die plötzlich keuchend im Treppenhaus stehen.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören zu den in wissenschaftlichen Studien am häufigsten beobachteten Symptomen: Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit (sog. Fatigue), Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme (sog. „brain fog“), Schlafstörungen, Muskelschwäche und -schmerzen, psychische Probleme wie depressive Verstimmung und Angstsymptome sowie Geruchs- und Geschmacksstörungen. Diese Symptome können einzeln oder zusammen auftreten.

Hat jeder Dritte Spätfolgen?

Allein in Deutschland sind inzwischen rund 37 Millionen COVID-Infektionen beim Robert Koch-Institut erfasst. Wie viele Menschen in der Folge von Long COVID betroffen sind, wird derzeit im Rahmen vieler wissenschaftlicher Studien untersucht. Auch von zwei bis vier von 100 Kindern ist die Rede.

Im Rahmen der Gutenberg COVID-19 Studie, einer der größten, bevölkerungsrepräsentativen Studien zur Pandemie in Deutschland, gaben bis zu 40 % Symptome an, die seit über sechs Monaten bestehen. Nach dieser Studie ist jeder Dritte nach der Infektion nicht mehr so leistungsfähig wie früher, andere sprechen von 15 %, das Robert Koch-Institut von jedem zehnten Patienten. Allein nach den Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurde für rund 200.000 Menschen eine Berufskrankheit im Zusammenhang mit COVID-19 anerkannt.

Professor Dr. med. Lars Timmermann, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN): „Post-COVID ist keine Fiktion, Fakt ist aber: Wir wissen noch immer wenig über die Entstehung und Ursachen von Post-COVID.“ Welche Schäden das Virus an den Organen und dem Nervensystem verursachen kann, die zu dauerhaften Gesundheitsproblemen führen können, ist derzeit Gegenstand vieler laufender wissenschaftlicher Untersuchungen. Über 200 Symptome an zehn Organen wurden bislang gelistet, 66 hielten über sechs Monate an. Fest steht: COVID-19 ist keine Atemwegs- oder Lungenerkrankung, sondern eine Multiorganerkrankung, die weitere Krankheiten begünstigt, z. B. Typ-2-Diabetes, oder das Risiko für eine Herzinsuffizienz steigert.

Video

Dr. Eckart von Hirschhausen spricht mit Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach über Long COVID sowie das Post-Vakzin-Syndrom, das Long COVID sehr ähnelt.

Podcast als Hilfe für Menschen mit Long COVID

In diesem Podcast der Herzstiftung hören Sie ein Gespräch mit dem Kardiologen Prof. Bernhard Schieffer und Dr. Ann-Christin Schäfer zum Thema: „Post-COVID - wie Betroffenen mit COVID-Langzeitfolgen geholfen wird“, beispielsweise mit einer Optimierung des Immunstatus, weil Long-COVID-Patienten für weitere Infekte besonders anfällig sind.

Das Coronavirus zerstört bei schweren Verläufen nicht nur Lungengewebe, oftmals ist auch das Herz geschwächt. Die Herzstiftung bietet Unterstützung an.

Selbsthilfegruppen und Post-COVID-19-Ambulanzen

Unter anderem bei der Herzstiftung finden Patienten mit Herzbeschwerden als Symptom von Long COVID auch Tipps zur Stärkung mithilfe von maßvollem Sport: wie eine kurze Anfangsbelastung langsam gesteigert werden kann, etwa beim Schwimmen oder Radfahren. Auf der Website der Initiative Long COVID Deutschland, 2020 gegründet zur Unterstützung von Menschen mit Long COVID bzw. Post-COVID-Syndrom, finden Sie eine Selbsthilfegruppe, die sich online trifft, sowie eine Liste mit weiteren bundesweiten Selbsthilfegruppen von Nakos, der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen.

Zudem bietet die Initiative eine Übersicht der Post-COVID-19-Ambulanzen in Deutschland an. Das sind spezialisierte Versorgungszentren, die spezielle Sprechstunden für Betroffene von Long COVID oder Post-COVID anbieten. Ein Allheilmittel ist bislang nicht gefunden.

Prof. Dr. med. Timmermann: „Derzeit bleibt die Prävention ein wichtiges Mittel, also die Impfung – denn selbst nach Impfdurchbrüchen ist die Wahrscheinlichkeit, Post-COVID zu bekommen, bei Geimpften geringer als bei Ungeimpften.“

Innovatives digitales Interventionsprogramm für Long-COVID-Patienten

In einem gemeinsamen Projekt der medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und der SRH Hochschule Heidelberg wurde ganz aktuell ein hochinnovatives digitales Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramm für Long-COVID-Betroffene entwickelt. So wurde im Rahmen des Projekts AMBIGOAL-ANCOR ein 12-wöchiges digitales Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramm entwickelt, das im Januar 2023 mit 600 Patienten startet. Die Studie heißt „MiLoCoDaS“, was sich aus „mild to moderate long covid digital intervention study“ zusammensetzt. Aktuell läuft die Aufnahme der interessierten Patienten in das Studienprogramm über die teilnehmenden hausärztlichen Praxen. Betroffene können sich hierzu an die Studienkoordination über die folgende Homepage wenden: wieder-fit-nach-covid.de

Zur Autorin: Karen Cop ist Gesundheitsjournalistin und kennt viele Menschen in der medizinischen Versorgung, die schon lange unter Long COVID leiden. Das Virus hat sie bislang verschont, (tok-tok-tok auf Holz) und so setzt sie weiter auf intensives Stoßlüften geschlossener Räume, auch bei Kälte.

Stand: Januar 2023

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