Volltextsuche innerhalb der Webseite:

Suchvorschläge

Einfach. Schnell. Erreichbar.

Unser zentrales Servicetelefon

0800 0255 255 24/7 Hotline, kostenlos

Anschrift

BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER
Winterstraße 49
33649 Bielefeld
Telefon: 0521 5228-0
E-Mail: info@bkkgs.de

Ihre Nachricht an uns

zum Kontakformular

Familie

Helikoptereltern: in Watte gepackt

Überfürsorgliche Eltern wollen Kinder nonstop beschützen. Denen schadet diese Haltung mehr, als dass sie nützt.

Text: Antoinette Schmelter-Kaiser

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:

Einmischung statt Eigenverantwortung: Helikoptereltern leben Kindererziehung in Form von Überbehütung. Doch die verhindert Selbstwirksamkeit und Autonomie.

Helikoptereltern bringen Zehnjährige im Lastenrad sitzend vom Hort nach Hause, obwohl diese die Strecke längst selbst fahren können. Bei Sprechstunden in der Schule diskutieren sie Benotungen bis ins letzte Detail. Zu Einladungen auf Kindergeburtstage geben sie Listen über sämtliche Allergien und Unverträglichkeiten ihrer Töchter oder Söhne mit. Deren Freizeit ist vom Ballettkurs bis Kreativworkshop akribisch durchgeplant. Beim dafür notwendigen Equipment wird an nichts gespart und die Tasche ist inklusive kleiner Snacks und Getränken immer perfekt gepackt.

Überbehütung und Einmischung

Nichts dem Zufall überlassen, mit Argusaugen über allen Lebensbereichen der Kinder kreisen: Dieses Verhalten ist typisch für Helikoptereltern. Per se überfürsorglich, sind sie nonstop dabei, ihre Kinder zu behüten. Doch es gibt noch Steigerungen: Rasenmäher- oder auch Curlingeltern räumen Kindern auch noch alle Hindernisse aus dem Weg, indem sie sich bei Streitereien auf dem Spielplatz als Schlichter einmischen, Hausaufgaben erledigen und fraglos Smartphone-Ersatz besorgen, wenn der Sohn sein eigenes mal wieder verloren hat.

Vor dem Bösen der Welt beschützen

„Kinder brauchen eine gewisse Führung, die die Richtung vorgibt, und kein Laissez-faire“, erklärt Barbara Weber-Eisenmann. „Aber ein Erziehungsstil, der sie in Watte packt und ihnen alles abnimmt, stülpt ihnen die Vorstellungen Erwachsener über. Er ist der Ausdruck von Angst, fehlendem Zutrauen, Unsicherheit und Wunsch nach Kontrolle.“ Als Kita-Leiterin begegnet sie immer wieder Charakteren, die Kinder „vor allem Bösen der Welt bewahren wollen. Denn der Druck von außen wird immer größer und das Bedürfnis, das eigene Kind zu beschützen, ebenfalls.“ Besser wäre es, es in seiner Entwicklung respektvoll, auf Augenhöhe, bindungs- und bedürfnisorientiert zu begleiten und liebevoll zu stärken.

Für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit brauchen Kinder Eltern, die ihnen vertrauen und Freiheit geben.

Nachteile für alle Beteiligten

Helikoptern bringt Nachteile für alle Beteiligten mit sich. „Für Eltern ist dieses Verhalten superanstrengend. Auf Dauer verlieren sie sich und tun sich sehr schwer, wenn sich die Kinder irgendwann abnabeln oder rebellieren“, weiß Weber-Eisenmann. Bei Helikopterkindern hat sie entweder ein ganz geringes oder künstlich übersteigertes Selbstvertrauen festgestellt, „weil sie für die Eltern immer die Tollsten sind“, außerdem fehlende Selbstständigkeit und die Unfähigkeit, ohne Unterstützung eines Elternteils mit Gefahren umzugehen. Für die Pädagogin ist das ein fragiles Gerüst und Gegenteil des richtigen Rüstzeugs, um sich gut zu entwickeln.

Schädliche Überfürsorglichkeit

„Kinder aus verwöhnend-überfürsorglichen Elternhäusern können ihre Persönlichkeit nicht gut ausbilden, werden egozentrisch und erwarten öfter Hilfe als andere“, stellt Inke Hummel in ihrem Ratgeber „Nicht zu streng, nicht zu eng“ fest. Bewältigungskompetenz und Frustrationstoleranz fehlten, Belastungen würden vermieden, Wünsche ständig erfüllt. Ihr Fazit: Es ist zu viel des Guten. Laut ihr sind überfürsorgliche Eltern in einer Spirale, die irgendwann die eigenen Ressourcen übersteigt. „Es gibt Mütter, die drei Jahre nicht abstillen, weil sie ihrem Kind keine unguten Gefühle zumuten wollen“, berichtet sie.

Mehr Raum für Eigenverantwortung

Um solche Extreme zu vermeiden, empfiehlt Hummel im ersten Schritt eine kritische Selbstreflexion des eigenen Verhaltens. Und im zweiten eine Veränderung der inneren Haltung: weg von Überbehütung sowie falsch verstandener Fürsorge und übermäßigem Verwöhnen, hin zu zugewandtem Zumuten. Denn Kinder brauchen ihrer Meinung nach eine Erziehung, die achtsam und mitfühlend ist, ihnen aber gleichzeitig genug Raum für Freiheit und Eigenverantwortung lässt. Im Klartext heißt das, ihnen passend zu ihren altersgemäßen kognitiven und motorischen Fähigkeiten die Gelegenheit zu geben, sich Schritt für Schritt in unterschiedlichsten Bereichen auszuprobieren.

Erleichterung im Familienalltag

„Kindergartenkinder können ihre Jacke selbst aufhängen, wenn die Haken niedrig genug angebracht sind“, so Weber-Eisenmann. „Erstklässler kann man allein zum Bäcker schicken, wenn auf dem Weg keine gefährliche Straße liegt und Verhaltensregeln abgesprochen werden.“ Und selbst wenn ein Fehler passiert oder etwas kaputt geht: Kinder vom Aufräumen bis zum Zähneputzen einzubeziehen entlastet die Eltern, erleichtert den Familienalltag und unterstützt das Bedürfnis eines Kindes nach Autonomie und stärkt seine Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit, so Weber-Eisenmann in ihrem neuen Buch „Ich kann das schon“. Eine Win-Win-Situation auf der ganzen Linie.

Video

Morgens vor der Grundschule. Jede Menge Autos fahren, parken und verlassen die Straße und blockieren währenddessen den Fahrradweg. Mit dem „Elterntaxi" seine Kinder bis vor den Schuleingang zu fahren, obwohl der Schulweg zu Fuß oder mit dem Bus gut zu schaffen wäre - ein eindeutiges Zeichen von Helikoptereltern?

Lektüretipps

Bücher und Internetadressen, die Eltern dabei unterstützen, ihren Kindern ein sicheres Fundament, aber auch Flügel mitzugeben.

DOWNLOAD

 
„Nicht zu streng, nicht zu eng“ von Inke Hummel (Humboldt)

Welche Erziehungswege gibt es? Wo liegt das richtige Maß zwischen Überbehüten und Härte? Wegweiser für Eltern, um eigene Unsicherheiten zu überwinden und eine wohltuende Eltern-Kind-Bindung zu schaffen.

„Ich kann das schon!“ von Barbara Weber-Eisenmann (Humboldt)

Ratgeber für Eltern von Zwei- bis Sechsjährigen mit Handlungstipps, um die Eigenständigkeit der Kinder zu fördern, sowie typischen Tagesabläufen inklusive Aufgaben, die sich spielerisch bewältigen lassen.

„Kinder liebevoll stärken“ von Barbara Weber-Eisenmann (Humboldt)

Egal ob Ankommen in der Kita oder Einschulung: Buch über die relevante Bedeutung von Bindung und Beziehung als Basis für Urvertrauen, Selbstbewusstsein, innere Stärke und Resilienz bei Kindern.

„Die Superkraft der liebevollen Führung“ von Martina Stotz und Kathy Weber (Beltz)

Ratgeber, wie man Kindern gleichzeitig Orientierung, Freiraum und Grenzen schenken kann. Ergänzend zum Buch gibt es hilfreiches Onlinematerial.

„Stellen Sie die Sirenen aus – mein Kind macht Mittagsschlaf!“ von Carola Padtberg und Lena Greiner (Ullstein)

Witzige Geschichten über die Spleens von Helikoptereltern. Das Autorinnenduo hat zuvor schon über andere Skurrilitäten überfürsorglicher Mütter und Väter geschrieben.

familie.de

Mehr Vertrauen in Kinder haben, Signale für überfürsorgliches Verhalten erkennen: Internetseite zu Erziehungsfragen quer durch alle Phasen vom Baby- bis zum Schulkindalter.

eltern-kind-tipps.de

Jedes Erziehungsverhalten basiert auf Wertvorstellungen und einem bestimmten Bild vom Kind. Ein Überblick über die elf wichtigsten informiert über die Vor- und Nachteile und hilft, den eigenen Weg zu finden.

kindererziehung.com

Informationsportal mit Hintergrundwissen sowie News für Eltern und Familie. Ein Forum bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Müttern und Vätern zu verschiedensten Themen auszutauschen.

Zur Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser hat eine Tochter. Die Beziehung zu ihr war 15 Jahre lang eng – bis schlagartig die Abnabelung begann. Seither übt sie sich im Loslassen und staunt, wie eigenständig und mutig das große Kind eigene Ziele verfolgt.

Stand: April 2024

Das könnte Sie auch interessieren: