Cortison: Wirkung, Vorteile & Risiken auf einen Blick
Segen oder Fluch, Allheilmittel oder nur für den Notfall? Über das natürliche Stresshormon Cortisol und die medikamentöse Cortisontherapie wird kontrovers diskutiert. Wann ist es nötig, wann dreht sich die heilsame Wirkung ins Gegenteil um? Hier ist eine Dosis Know-how.
Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:
Cortison ist eines der meistverschriebenen Medikamente, aber auch verschrien. Dabei wirkt das körpereigene Hormon besser als sein Ruf – bei richtiger Anwendung.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Cortisol? Und was Cortison?
Cortisol (Kortisol) ist ein Stresshormon. Wenn der Körper Energie braucht, aktiviert es den Stoffwechsel und erhöht den Blutdruck und den Blutzucker. Cortisol gehört zu den Glukokortikoiden. Es wird aus Cholesterin auf natürliche Weise in der Nebennierenrinde hergestellt. Das Hormon reguliert das Wachstum, den Fettstoffwechsel und die Proteinzufuhr. Morgens ist der Cortisolspiegel am höchsten, er weckt uns auf und macht uns fit für den Tag. Kurz: Cortisol ist lebensnotwendig.
Cortison (Kortison) ist eine inaktive Vorstufe von Cortisol und muss von der Leber in das aktive Cortisol umgewandelt werden. Der Körper produziert es nur in sehr geringen Mengen. In den 1930er-Jahren wurde es entdeckt und 1948 erstmals einer Patientin mit schwerer rheumatoider Arthritis gespritzt: mit Erfolg. Die „Väter des Cortisons“, Dr. Edward Kendall, Dr. Philip Hench und Dr. Tadeusz Reichstein, erhielten dafür 1950 den Nobelpreis für Medizin.
Wie wirkt Cortison?
Steroidhormone sind natürliche Botenstoffe. Cortisol und Cortison wirken so auf das Immunsystem ein, dass es weniger aggressiv reagiert: Die Kortikosteroide setzen an bestimmten Leukozyten (weißen Blutkörperchen) an und greifen so aktiv ins Immunsystem ein: Sie bremsen Entzündungen aus und stoppen überschießende allergische Reaktionen. Die immunsuppressive Wirkung kommt Patienten bei chronisch entzündlichen Darm- und Lungenerkrankungen zugute sowie bei Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (Rheuma) und bei akuten Schüben von Multipler Sklerose.
Welche Vorteile hat Cortison?
- Cortison wirkt schnell, je nach Verabreichungsform innerhalb von Sekunden bis Tagen.
- Es stoppt Entzündungen und die damit einhergehenden Schmerzen.
- Cortison kann breit angewandt werden: äußerlich, zum Beispiel auf der Haut, wie innerlich (systemisch).
- Schwellungen gehen zurück.
- Es gibt viele verschiedene Glukokortikoidpräparate, die je nach Bedarf gut dosiert und jeweils in unterschiedlicher Form angewendet werden können: als Salbe, Flüssigkeit (Infusion, Spritze, Tropfen) oder Tablette.

Wann ist der medikamentöse Einsatz von Cortison unbedingt nötig?
Dr. Ute Lepp, Allergologin am Allergiezentrum in Lübeck und Borstel, berichtet von einem Notfall, einer Frau mit Erdnussallergie, die in ein Körnerbrötchen biss: „Innerhalb weniger Minuten schwoll ihr der Rachen zu, sie wurde ohnmächtig. Erst der herbeigeeilte Notarzt bewahrte sie mit entsprechenden Medikamenten vor Schlimmerem."
Zu den Notfallmedikamenten gegen einen lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock gehört neben Adrenalin und Antihistaminika auch Cortison. Es wirkt abschwellend, die allergischen Reaktionen lassen schneller nach. Allergiker sollten immer ein flüssiges Präparat bei sich haben, das im Notfall, wenn die Atemwege anschwellen, leichter zu schlucken ist als Tabletten.
Chronische Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen sollten möglichst nicht dauerhaft mit Cortison behandelt werden, nur bei akuten Schüben, wenn andere Medikamente nicht mehr helfen.
Video: „Kortison verstehen“, der Film
Der Experte Dr. Hans Peter Gröchenig ist Facharzt für Innere Medizin und bietet einen Onlinekurs mit sieben Filmen an zum Thema Cortison, darunter viele Antworten auch bei Fragen zu Cortisontherapien, zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen – kostenlos und ohne Anmeldung:
Welche Nachteile und Nebenwirkungen hat Cortison?
Der Ruf von Cortison als Wunderheilmittel und Meilenstein in der Medizin hat sich im Laufe der Zeit zum „Teufelszeug“ verändert. Leider kann das Medikament den Hormonhaushalt durcheinanderbringen und weitere Nebenwirkungen hervorrufen. Damit eine Cortisontherapie die Heilung unterstützt und der Gesundheit nicht an anderer Stelle schadet, braucht es viel Erfahrung bei der Dosierung und Behandlungsdauer. Grundsätzlich sollte diese kurz sein, um Nebenwirkungen wie folgende zu vermeiden:
- Akne
- Bluthochdruck
- dünner werdende Haut
- erhöhte Infektanfälligkeit
- erhöhte Blutzuckerwerte
- Gewichtszunahme
- Morbus Cushing (Symptome: Mondgesicht, mehr Stammkörperfett, ausbleibende Menstruation…)
- Osteoporose
- Schlafstörungen
- Wachstumsstörungen bei Kindern
Ist eine längere Behandlung mit Cortisonpräparaten nötig, kann man Nebenwirkungen entgegenwirken. Prof. Dr. med. Stephan Petersenn, ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg und Mediensprecher der Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), nennt Beispiele: „Dem Risiko, eine Osteoporose zu entwickeln, können wir mit einer täglichen Gabe von 1000 I.E. Vitamin D und je nach Situation mit zusätzlichen knochenschützenden Medikamenten begegnen; der Thrombosegefahr lässt sich mit einer klassischen Antikoagulationstherapie (Anmerkung der Red.: Gerinnungshemmung) vorbeugen.“

Was geschieht bei übermäßigem Cortisongebrauch im Körper?
Je mehr medikamentöses Cortison Sie über lange Zeit (Monate bis Jahre!) nutzen, desto höher ist das Nebenwirkungsrisiko. Schlimmstenfalls funktioniert der Stoffwechsel nicht mehr optimal, die das körpereigene Cortisol produzierende Nebennierenrinde verkümmert und kann die natürliche Produktion nach Therapieende nicht mehr aufnehmen. Sprechen Sie Ihren Arzt deshalb gleich beim ersten Symptom darauf an!
Achtung auch bei der Anwendung! So wirkt ein cortisonhaltiges Präparat auf feuchter Haut stärker als auf trockener. Tabletten und Infusionen haben öfter Nebenwirkungen, Salben seltener, schlimmstenfalls wird die Haut dünner.
Und: Starke Glukokortikoide sollten Sie möglichst früh morgens einnehmen, um die körpereigene Hormonbildung und ihren natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus nicht unnötig zu stören.
Eine weitere Problematik zeigt sich bei anhaltendem Stress: Zwar hilft das Stresshormon dabei, eine besondere Belastung zu meistern, aber nicht auf Dauer. Wenn der Cortisolspiegel zu hoch bleibt und Stress alltäglich, schadet auch das natürliche Cortisol der Gesundheit. Es kann zu Symptomen kommen wie Ängsten, Bluthochdruck, Schlafstörungen oder schlechter Wundheilung. Sport und Entspannungstechniken helfen!
Warum sollen cortisonhaltige Medikamente langsam abgesetzt werden?
Eine längere Behandlung mit Cortison sollte „ausschleichen“, das heißt, die Dosis wird über einen längeren Zeitraum immer weiter reduziert. Sonst kann es zu Entzugserscheinungen kommen wie allgemeine Schwäche, Gelenkschmerzen oder Verwirrtheit.
Hintergrund: Wenn Cortison von außen zugeführt wird, reduzieren die Nebennieren ihre natürliche Cortisolproduktion und fahren sie nach dem Absetzen nur langsam wieder hoch. Außerdem flammen die Symptome der Erkrankung öfter wieder auf.
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Zur Autorin: Karen Cop ist Gesundheitsjournalistin und bedankt sich hiermit bei ihrer Nebennierenrinde für das Cortisol, das ihr schon oft half, rechtzeitig Artikel abzugeben. Zum Glück hat sie ein „Gegengift“ gegen Dauerstress: Yoga.
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