Erloschener Vulkan
Von Weißglut zu Weichei – über die friedliche Revolution meines Charakters und wie ich mal wieder von den Allerkleinsten lernte.
Bisweilen nannte man mich Heißsporn! Rückblickend wird mir klar, dass die Bezeichnung wohl selten positiv gemeint war, aber in mir löste sie einen gewissen Stolz aus. Sich nicht alles gefallen zu lassen und seine Meinung zu sagen, war eine Prämisse, die mir zu einem Teil schon in die Wiege gelegt wurde, zum anderen aber auch ein Produkt meiner rebellischen Pubertätsjahre war. Nicht, dass ich ein streitsüchtiges Monster gewesen wäre, aber das Ja-Sagen allein um des lieben Friedens willen war auch nicht wirklich mein Steckenpferd. „Ich will mich am Abend noch im Spiegel anschauen können“, lautete mein Credo.
So weit, so ehrenwert – wäre da nicht die dumme Tatsache gewesen, dass sich diese Ambition paarte: mit einer vulkanartig aufbrodelnden Emotionalität, die südländisches Blut in mir vermuten lassen könnte und gekoppelt war an ein nicht vorhandenes Talent: Diplomatie und bedächtig gewählte Worte waren mir vollkommen fremd. Sprich: Wenn es zu ernsthaften Auseinandersetzungen kam, war immer gleich Feuer am Dach. Des Löschens war ich in den ganz explosiven Jahren nicht mächtig – da konnten Arbeitsverhältnisse oder gar langjährige Freundschaften innerhalb kürzester Zeit zu Schutt und Asche werden. Das Problem dabei: Noch lange, nachdem das letzte Aschehäufchen ausgekühlt war, loderte die Wutglut in mir immer wieder auf.
Wer eine Tür zuschlägt, muss sich auch mit einem ungeklärten Konflikt herumschlagen. Das kann lange dauern und krank machen.
Mittlerweile habe ich Fortschritte in der Streit- und Schlichtungskultur zu vermelden. Und die habe ich meinem Sohn zu verdanken. Kinder können einen ja wirklich oft zur Weißglut bringen. Aber sie tun es nicht vorsätzlich und bösartig. Sie sind eben Kinder! Und wenn dann am Abend dieses kleine, warme, wohlduftende Menschenpaket in meinem Arm halblaut zu „schnärcheln“ begonnen hatte und dieser unvergleichliche Friede über allem lag, hab ich jeden Streit bereut und mir gedacht: War das wirklich nötig?
Heute enden viele unserer Auseinandersetzungen mit einer Umarmung. Schließlich verlangen wir von den Kleinen ja auch, sich nach dem Zanken die Hand zu reichen. Und wenn ich abends in den Spiegel schaue, bin ich stolz darauf, dass ich meinem Sohn das mit auf den Lebensweg gebe: Streiten muss manchmal sein – aber bitte mit Versöhnung am Ende!
Stand: März 2018
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