Gibt es bald Kunstblut?
Blutkonserven sind weltweit Mangelware. Forscher arbeiten intensiv an synthetisch erzeugtem Ersatz, der Spenderblut unnötig machen soll.
Text: Dr. Andrea Exler
Allein in Deutschland werden täglich 18.000 Blutkonserven benötigt. Doch das Aufkommen an geeignetem Spenderblut bleibt geringer als der Bedarf. Die begrenzte Haltbarkeit (Konserven dürfen nur 42 Tage gelagert werden) und eventuelle Qualitätsmängel sind Unsicherheitsfaktoren. Vor allem seltene Blutgruppen sind schwer verfügbar. Einige Patienten brauchen absolut kompatibles Spenderblut, sonst können gravierende immunologische Komplikationen auftreten. Daher versuchen Forscher, künstlichen Blutersatz zu entwickeln. Sie wollen rote Blutkörperchen (Erythrozyten) züchten, die überhaupt keine eigenen Charakteristiken aufweisen. Das Produkt wäre daher mit allen Blutgruppen kompatibel: Universalblut.
Wofür es gebraucht wird
Gesucht wird ein Stoff, der die vielfältigen Funktionen menschlichen Blutes übernehmen kann. Dazu zählen die Gerinnung (Wundverschluss), die Infektabwehr und der Sauerstofftransport. Blutverlust in großen Mengen ist tödlich, weil lebenswichtige Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Er kann infolge einer äußeren oder inneren Verletzung auftreten. Häufig wird Spenderblut auch benötigt, weil der Organismus aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung nicht mehr genug eigenes Blut bilden kann. Dies gilt vor allem für ältere Patienten, bei denen die Medizin immer bessere Möglichkeiten hat, das Leben zu verlängern. Wie das Institut für Transfusionsmedizin der Uni Leipzig ermittelte, steigt der Bedarf an Spenderblut jedes Jahr um 1 %.
Blutspenden werden weiterhin dringend benötigt, denn Forscher rechnen frühestens in 10 Jahren mit marktfähigem Blutersatz.
Wie es gewonnen wird
Hämoglobin bindet in den roten Blutkörperchen Sauerstoff und ist folglich für die zentrale Transportfunktion menschlichen Blutes verantwortlich. Es kann mithilfe von Bakterien oder Hefezellen relativ leicht gentechnisch erzeugt werden. Das Problem dabei: Isoliertes Hämoglobin außerhalb der Zellmembran greift Organe an. Versuche mit isoliertem Hämoglobin sind daher bislang schon in der vorklinischen Prüfung gescheitert. Die Lösung wäre, „komplette“ rote Blutkörperchen zu züchten. Dies ist der Stammzellenforschung zwar gelungen, doch das Verfahren ist sehr teuer. Die Gewinnung von maximal 20 Milliliter verschlingt eine halbe Million Euro. Viel Beachtung fand ein französischer Forscher, der im Blut von Wattwürmern ein Hämoglobinmolekül entdeckte, dass 50-mal so groß ist wie das menschliche. Der Wurm könnte mit geringem Aufwand als Blutlieferant massenhaft gezüchtet werden. Tierversuche mit den so gewonnenen roten Blutkörperchen sind Experten zufolge vielversprechend verlaufen.
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Wie Wattwürmer helfen könnten, unsere Blutkonserven aufzustocken, sehen Sie in diesem 3sat-Beitrag.
Noch kein Durchbruch
Mit marktfähigen Blutersatzstoffen rechnen Wissenschaftler frühestens in 10 Jahren. Im Augenblick können rote Blutkörperchen nur in geringen Mengen erzeugt werden, was immense Kosten verursacht. Das größte Problem ist also die Massenproduktion. Denn kein bisher bekanntes technisches Verfahren ist so effizient wie das menschliche Knochenmark. Drei Millionen rote Blutkörperchen pro Sekunde produziert der Organismus eines gesunden Erwachsenen. Dennoch lohnt der hohe Aufwand der Gewinnung von Kunstblut. Mit ihm werden wichtige Tests durchgeführt. Es wird beispielsweise Labormäusen übertragen, um seine Eigenschaften im Körper von Säugern zu erforschen.
Stand: Juni 2019
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