Was ist Psychoneuroimmunologie?
Wie hängen Psyche und Immunsystem zusammen? Welche Rolle spielt Stress? PNI findet neue Erkenntnisse über Krankheiten und ihre Heilung.
Text: Karen Cop
„Psychoneuroimmunologie“ ist zwar für viele noch ein Zungenbrecher, aber nicht ganz neu. In den 1970er-Jahren fand der US-Psychologe Robert Ader heraus, dass das Immunsystem mit unseren Nerven zusammenhängt. Auch „in der Antike war man sich der Wechselwirkung von Gefühlen und körperlicher Gesundheit bewusst“, erläutert Prof. Dr. Dr. Christian Schubert. Der Arzt, Psychologe und Psychotherapeut erforscht seit rund 25 Jahren die Wechselwirkungen zwischen Gehirn, Psyche und Immunsystem, denn „wir brauchen eine neue Medizin, die uns zu mehr Wohlbefinden verhilft. Das wird eine psychotherapeutische Medizin sein.“
Dauerstress, der Feind des Immunsystems
Hintergrund: Als einer der Hauptfeinde einer gesunden Immunfunktion gilt Dauerstress. Bei Stress schüttet das Nervensystem mehr Botenstoffe aus, die die Funktion der Immunzellen beeinflussen. Bei „Distress“, so Prof. Schubert, „sinken wesentliche und schützende Immunfaktoren im Organismus. Spiegelbildlich stärken Erlebnisse, die uns Freude machen, das Immunsystem.“ Zum Beispiel hemmt Cortison Killerzellen, die Bakterien und Viren in Schach halten. Bleibt der Cortisol-Spiegel aufgrund von Dauerstress lange sehr hoch, wird der Körper zunehmend anfällig für Infekte und chronische Entzündungskrankheiten nehmen zu.
Psychoneuroimmunologie: neue Wege in der Medizin
Prof. Dr. med. Eva Peters forscht an der Berliner Charité und dem Universitätsklinikum Gießen zur Psychoneuroimmunologie der Haut, denn an den Grenzflächen des Körpers „halten sich unglaublich viele Immunzellen auf“. Diese prüfen nonstop, ob die Einflüsse von außen der Gesundheit schaden oder nicht. Das gelinge bei psychologischem Stress oder stressenden Umwelteinflüssen schwer. Eine alarmierende Zahl ist für Prof. Peters, dass etwa 1,6 Millionen Menschen, zumeist Kinder, in Deutschland an Neurodermitis leiden. Auch eine Erkrankung wie Hautpilz sei ein Hinweis darauf, dass die „Immunabwehr weit im Keller ist“. Selbst die Zunahme von Hautkrebs sei nicht nur durch zu viel Sonne zu erklären. In dem Buch „Die Haut und die Sprache der Seele“ erklärt die Forscherin auch den Zusammenhang von psychosozialem Stress und Krankheiten der Haut.
Gute Gefühle für die Immunfunktion
Kurz: Liegen die Nerven blank und leidet die Seele, schwächelt auch der Körper. Dann können aus Sicht der angewandten Psychoneuroimmunologie Medikamente nicht gut genug helfen. Die PNI versucht, möglichst alle Stressoren zu erkennen und medizinische wie psychologische Therapien zu entwickeln, durch die eine zu große Belastung vermieden oder ein Problem anders betrachtet werden kann. Positive Gefühle steigern das Wohlbefinden wie die Immunaktivität. Gut tue laut Prof. Schubert auch der liebevolle Umgang mit sich selbst, denn „Menschen, die dazu in der Lage sind, haben meist auch gesunden Zugang zu einer noch viel mächtigeren Kraft: der Beziehung zu anderen Menschen.“ PNI-Forscher wie er und Prof. Dr. Zänker sprechen sogar vom "Gesundheitselexier Beziehung“. Laut ihnen zeigen epidemiologische Studien, dass die Einbettung in familiäre, soziokulturelle und spirituell-religiöse Kontexte die durchschnittliche Lebenserwartung um bis zu 20 Jahre ansteigen lässt.
Zur Autorin: Karen Cop ist leidenschaftliche Gesundheitsjournalistin und verfolgt die Entwicklung in der Psychoneuroimmunologie seit einigen Jahren. Ihr Tipp: der PNI-Kongress in Innsbruck vom 18. bis 20.9.2020, der das „Gesundheitselixier Beziehung“ thematisiert.
Stand: Juni 2020
Das könnte Sie auch interessieren:
Artikel teilen auf