So gelingt Plastikfasten mit der Familie
Müllvermeidung ist ein Weg zum plastikfreien Haushalt. Außerdem lässt sich Kunststoff durch langlebige und wiederverwendbare Alternativen ersetzen.
Text: Antoinette Schmelter-Kaiser
Kunststoff wiegt und kostet wenig, lässt sich leicht formen und vielseitig einsetzen. Deshalb boomen Produkte oder Verpackungen aus diesem Material. Die Produktion ist zwischen 1950 und 2018 weltweit von 1,5 auf 368 Millionen Tonnen jährlich gestiegen. Entsprechend viel muss entsorgt werden: Allein in Deutschland landen pro Jahr und Einwohner rund 39 Kilogramm Plastikverpackungen im Abfall; diese Menge hat in der Corona-Pandemie noch zugenommen, da mehr Waren online bestellt und Speisen und Getränke zum Mitnehmen gekauft werden. Maximal ein Drittel der Kunststoffabfälle wird zu Recyclat, der Rest verbrannt oder ins Ausland exportiert; ein Teil gelangt in die Umwelt, wo er sich nicht natürlich abbaut. Plastikfasten mit der Familie hilft beim Reduzieren, Wiederverwenden und Verwerten dieser immensen Mengen – bis hin zum plastikfreien Haushalt.
Weniger Verpackungsmüll beim Einkaufen
Ein großer Teil des Plastikmülls lässt sich beim Einkaufen vermeiden: Viele Lebensmittel gibt es vor allem in Unverpackt-Geschäften, aber auch Hofläden und auf Wochenmärkten als lose Ware, die man in eigenen Gefäßen und Taschen nach Hause transportiert. Bis vor die Tür werden Ökokisten geliefert. Sie enthalten vor allem regionales, saisonales Obst und Gemüse ohne Verpackung. In Supermärkten und Discountern sind zumindest für Obst und Gemüse sowie Backwaren wiederverwendbare Netze und Baumwollbeutel auf dem Vormarsch. Bei Milch, Joghurt und Sahne wären Pfandgläser eine müllfreie Alternative. Auch Mehrwegflaschen lassen sich wiederholt mit Getränken befüllen: Bis zu 50-mal klappt das bei Glas-, 25-mal bei PET-Exemplaren. Das Schleppen von Mineralwasser kann man sich sparen: Leitungswasser ist hierzulande das bestüberprüfte Lebensmittel; fürs Prickeln sorgen Wassersprudler mit austauschbaren CO2-Zylindern. Umwelt und Geldbeutel schonen außerdem wiederbefüllbare Kapseln und Pads für Kaffeemaschinen.
Wiederverwendbares für unterwegs
Hier ein Coffee to go, dort ein Snack: Beim Essen oder Trinken unterwegs fällt besonders viel Verpackungsmüll an, wie übervolle Abfalleimer in Städten und Parks beweisen. Einen heißen Cappuccino, Tee oder Kakao kann man sich (in Corona-sicheren Zeiten) aber genauso gut in mitgebrachte Mehrwegbecher abfüllen lassen. Leitungswasser für wiederbefüllbare Trinkflaschen gibt es bundesweit an über 5.500 Refill-Stationen und Trinkbrunnen, die an einem blauen Aufkleber mit Tropfensymbol zu erkennen sind. Beim Eisessen lässt sich Plastikmüll reduzieren, indem man Kugeln in der Waffel statt im Becher mit Löffelchen nimmt. Für den größeren Hunger zwischendurch sind Pizza, Pommes oder Döner zwar beliebte Dauerbrenner. Günstiger und gesünder sind – auch für Pausen in Kitas, Schulen und Büros – belegte (Vollkorn-)Brote von daheim, die sich samt Gurken, Karotten & Co. in einer Lunchbox aus Edelstahl oder in Bienenwachstuch eingewickelt transportieren lassen. Für Schichtsalate zum Mitnehmen eignen sich Gläser mit Schraub- oder Klappdeckel. Warme Mahlzeiten wie Suppen behalten in Thermobehältern die Temperatur.
Secondhand kaufen, teilen und tauschen
Kinder wachsen und entwickeln sich schnell. An Spielzeug, das häufig aus Kunststoff ist, verlieren sie oft schon nach kurzer Zeit das Interesse. Flohmärkte sind der ideale Ort, um kostengünstig Nachschub zu finden, aber auch Überflüssiges sinnvoll loszuwerden. Wer nicht bis zum nächsten warten will, kann mit kostenlosen Kleinanzeigen auf Quoka und Ebay genauso nach Schleich-Tieren und Playmobil-Männchen fahnden wie sie dort verkaufen. Nachbarn in der näheren Umgebung verbindet das praktische Portal nebenan.de. Registrierte Nutzer dürfen hier nicht nur Dinge suchen, anbieten und verschenken, sondern sich auch Dinge (aus)leihen – egal ob Planschbecken, Bohrmaschine oder Bierbank. Gemeinschaftlich, nachhaltig und wertschätzend funktioniert foodsharing.de. Diese Initiative rettet seit 2012 überschüssige Lebensmittel von privaten Haushalten sowie kleinen und großen Betrieben vor der Tonne. Angemeldete Foodsharer und -saver können Essenskörbe anbieten oder bei Umschlagplätzen abholen. Durchschnittlich gibt es um die 3.400 Einsätze pro Tag, um Lebensmittelverschwendung und -abfall zu vermeiden.
Sauberkeit ohne Materialschlacht
Beim Putzen im Haushalt existieren für jeden Raum und jede Anwendung spezielle Produkte. Entsprechend groß ist die Anzahl an Plastikflaschen oder Tuben und Tiegeln aus Kunststoff. Dabei würden wenige Basics für einen plastikfreien Haushalt reichen: Zitronensäure oder Essigessenz entfernen Kalk in Wasserkochern, von Armaturen und Kacheln. Natron oder Soda wirkt bei verstopften Abflüssen, als Scheuermittel, Fleckentferner und Backofenreiniger. Mit aufgelöster Schmierseife im Wasser werden Flächen und Böden im Innen- sowie Außenbereich sauber. Ein Schuss Brennspiritus im Wasser macht Fenster streifenfrei, 70-prozentiger Alkohol desinfiziert Gegenstände. Verpackungsmüll lässt sich auch im Bad reduzieren: Milde Naturseifen können dort Duschgels ersetzen, feste Shampoos solche in Flaschen. Immerhin sind Wattestäbchen ab Juli 2021 nicht mehr mit Kunststoffstielen zu haben. Diese werden wie andere Wegwerfprodukte aus Plastik – von Einwegbesteck und Styroporbehältern für Essen über Strohhalme bis Rührstäbchen – in der EU verboten.
Plastikmüll sammeln, trennen und recyceln
Landet Plastikmüll in der Umwelt, kann er große ökologische Schäden anrichten: Vögel, Fische oder Meeressäuger verwechseln ihn schlimmstenfalls mit Nahrung und fressen ihn. Oder er zersetzt sich durch Sonne, Wasser und Wind zu gefährlichem Nano- oder Mikroplastik, das erneut in den Nahrungskreislauf und Körper gelangt. Wer mit der Familie etwas dagegen tun will, nimmt beim Spazierengehen oder Joggen leere Beutel mit und sammelt unterwegs umherliegenden (Plastik-)Müll; vielerorts tun das Gleichgesinnte in „Plogging“-Gruppen. Im Haushalt macht Müllsortieren Sinn: Unvermeidbare Kunststoffabfälle gehören in den Gelben Sack oder den Wertstoffcontainer, damit möglichst viele zu Recyclat verarbeitet werden können. Ab 2022 soll die Recyclingquote laut Umweltbundesamt bei Kunststoffen stolze 63 % betragen. Schon jetzt verwenden immer mehr Hersteller Verpackungen aus recyceltem Plastik oder fertigen daraus neue Produkte von Blumenkübeln über Sportbekleidung bis zu Handyhüllen.
Alternativen aus nachhaltigem Material für den plastikfreien Haushalt
Wer nur aufs Geld schaut, greift gerne zu Produkten aus Kunststoff, die meist preisgünstiger sind oder auf den ersten Blick scheinen. Nachhaltiger sind andere Materialien: Zur Aufbewahrung in der Küche – egal ob Vorratsschrank, Kühlschrank oder Tiefkühlfach – eignen sich Vorratsdosen aus Glas. Diese muss man nicht extra anschaffen. Stattdessen lassen sich ausgediente Marmeladen- oder Gurkengläser für den plastikfreien Haushalt nutzen. Utensilien wie Kochlöffel, Pfannenwender oder Schneebesen gibt es auch aus Edelstahl und/oder Holz. Hölzerne Schneidebrettchen sollten zwar nicht in der Spülmaschine gereinigt werden, sind aber von Natur aus antibakteriell. Ökoschwammtücher aus Zellulose lassen sich genauso waschen wie solche aus Mikrofaser, können aber in den Kompost statt in den Müll wandern, wenn sie verschlissen sind. Im Badezimmer müssen es weder Systemrasierer mit teuren Wechselklingen noch Einwegrasierer sein. Stattdessen tun langlebige Rasierhobel, bei denen lediglich die Metallklingen ausgetauscht werden müssen, gute Dienste. Alternative zu Zahnbürsten und Spülbürsten aus Kunststoff sind Modelle aus Holz oder Bambus.
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Unverpackt einkaufen und genießen: Noch ist das nicht überall möglich und selbstverständlich. Wie funktionieren solche Läden?
Lektüretipps
Empfehlungen für informative Internetseiten, praxiserprobte Blogs und hilfreiche Sachbücher rund um das Thema Plastikverzicht
„#Einfach plastikfrei leben“
Sachbuch von Charlotte Schüler mit vielen Empfehlungen, wie Anfängern und Fortgeschrittenen ein nachhaltiger Alltag ohne Plastik gelingen kann (Südwest).
„Plastiksparbuch“
Über 300 nachhaltige Alternativen, um der Plastikflut zu entkommen – egal ob beim Wocheneinkauf, der Körperpflege, dem Wäschewaschen oder auf Reisen (smarticular Verlag).
bund.net
Umfangreiche Broschüre zum Downloaden mit Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoffe, die die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz zusammengetragen haben.
zero-waste-deutschland.de
Tipps, Tricks, Neuigkeiten sowie Produktempfehlungen für alle, die nicht nur Kunststoffmüll vermeiden, sondern möglichst komplett darauf verzichten wollen.
besser-leben-ohne-plastik.de
Blog von Nadine Schubert, die mit ihrer Familie erfolgreich auf Plastik verzichtet und über ihre Erfahrungen bereits drei Bücher geschrieben hat.
Zur Autorin: Antoinette Schmelter-Kaiser ist das Mülltrennen so wichtig, dass sie manchmal aus dem Urlaub Kunststoffabfälle mit nach München bringt, um sie dort in den Wertstoffcontainer zu stecken. Beim Einkaufen hat sie aus Prinzip eigene Taschen, Gemüsenetze und Brotbeutel dabei.
Stand: März 2021
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