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Minimalistisch leben

Weniger ist mehr! Die altbekannte Weisheit erlebt einen neuen Boom. Immer mehr Menschen erfüllen sich ein minimalistischeres Leben durch Downshifting & Co.

Text: Lara Buck

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:

Größer, schneller, weiter – Ende der Fahnenstange. Wer sich wieder auf das Wesentliche reduziert, erlebt eine ganz neue Art von Reichtum.

„Was ist eigentlich wirklich wichtig im Leben?“ Ob wir wollten oder nicht, während der mehrfachen Corona-Lockdowns hat sich früher oder später jeder mal mit dieser einen grundlegenden Frage konfrontiert gesehen. Und schnell wurde klar, dass es meist die immateriellen Dinge sind, die wir sonst gar nicht immer so wertschätzen: Gesundheit, der direkte Kontakt zu Familie und Freunden, entspanntes Arbeiten, Lernen und Zusammenleben oder einfach freie, erfüllende Zeit für sich.

Reduzierung auf das Wesentliche

Klar, nicht jeder braucht für diese Erkenntnis eine Pandemie. Der Simplicity-Trend war schon lange vor Corona da und regt seitdem immer mehr Menschen an, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen und sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren oder sich zu reduzieren. Die Erkenntnis, dass Dinge, Besitztümer und Statussymbole eher nicht glücklich machen oder allenfalls nur kurzfristig, führt(e) im Idealfall auch zu einer Änderung der Lebensweise. Inspirierende Beispiele und Möglichkeiten gibt es genügend.

Weniger Auto, mehr Fahrrad: Da wird Reduktion zur Bereicherung – z. B. für die Gesundheit.

Minimalistisch in ein neues Leben

Auch wenn man immer wieder faszinierende Aussteigergeschichten liest, muss man natürlich nicht gleich sein ganzes Leben umkrempeln – schon gar nicht sofort. Aber ein bisschen Downsizing hier und da wirkt sehr befreiend. Ob Capsule Wardrobe (übrigens ein Prinzip aus den 1970er-Jahren) mit nur einer Handvoll Kleidungsstücken, die alle zusammenpassen, oder Minimal Waste (Müllreduzierung) durch unverpacktes Einkaufen und Selbermachen, ob Carsharing, Tiny Houses oder Sparjahr – minimalistisch leben hat viele Facetten. Und wer die Einfachheit einmal ausprobiert, erlebt sie meist als Bereicherung, nicht als Verzicht.

„Die Dinge haben immer nur den Wert, den man ihnen verleiht.“

Molière

Kein Wunder, dass auch das Ausmisten scheinbar zum Lockdown-Hobby Nr. 1 mutiert ist. Schließlich war man in einer verwirrend ungeordneten Welt plötzlich extrem auf sich selbst und die eigenen vier Wände zurückgeworfen – da war äußeres und oft auch inneres Großreinemachen naheliegend. Nicht nur aufräumen, sondern Ballast abwerfen! Dieser Schritt steht fast immer an, wenn wir minimalistisch(er) leben wollen und mehr Klarheit und Durchblick brauchen.

Gegen alle Tricks zum Minimalismus

Doch das Ausmisten von Habseligkeiten fällt vielen Menschen überhaupt nicht leicht. Schnell kommt Verlustangst auf und so mancher Gegenstand wird zum Lieblingsteil (v)erklärt, auch wenn er keine besondere, persönliche Geschichte erzählt. Unsere Psyche hat da nämlich ein paar Tricks auf Lager.

„Was wir wollen, das glauben wir auch gerne.“

Cäsar

So prägte der US-Psychologe William James schon vor langer Zeit den Begriff „erweitertes Selbst“: Was wir besitzen, begreifen wir als Teil unserer Identität. Oder der sogenannte Besitztumseffekt (endowment effect), von US-Verhaltensökonom Richard Thaler beschrieben: Er sorgt dafür, dass wir den Wert von Dingen höher einschätzen, nur weil wir sie besitzen. Wer sich diesbezüglich kritisch hinterfragt, beantwortet die Frage „Lieblingsteil oder kann das weg?“ womöglich anders. Denn (Besitztums-)Wünsche sind heute häufig abgekoppelt von Sinnhaftigkeit. Wenig überraschend, dass laut spektrum.de zahlreiche Studien die schädliche Wirkung einer materialistischen Grundhaltung aufzeigen und Materialisten als tendenziell ängstlicher und unzufriedener einordnen.

Warum minimalistisch leben?

Der Trend zur einfachen, minimalistischen Lebensweise – im Englischen unter dem Schlagwort LOVOS bekannt (Lifestyle Of Voluntary Simplicity) – hat in der Reduzierung den Mehrwert entdeckt: Konsumverzicht und Downshifting für mehr Nachhaltigkeit, mehr Zeit, mehr Freiheit, mehr Authentizität, mehr Bewusstheit. Wobei das Ziel eher ein Besser als ein Mehr ist: Qualität statt Quantität! Nämlich eine höhere Lebensqualität, die aus Genügsamkeit erwächst und die Freude an oft unkäuflichen, aber „echten“ Erlebnissen und Genüssen nährt. Sie sind es, die das minimalistische Leben reich machen. Und das kann ganz nebenbei – so ermutigen die Wissenschaftler des Zukunftsinstituts – für eine bessere Zukunft sorgen.

Zur Autorin: Vor vermeintlicher Ersatzbefriedigung durch Shopping musste sich auch unsere Autorin Lara Buck während der Lockdownzeiten hüten.

Stand: Dezember 2021

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