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Familie

Mehr Miteinander im Mehrgenerationenhaushalt

Wenn Großeltern, Kinder und Enkelkinder zusammenziehen, kann die Familie im Mehrgenerationenhaushalt von gegenseitiger Fürsorge profitieren.

Text: Antoinette Schmelter-Kaiser

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:

Mehrgenerationenhaushalte haben Vorteile: Im Zusammenleben kann man voneinander lernen, sich ergänzen und unterstützen – egal ob mit Kind, berufstätig oder im Ruhestand.

Sie war vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend als Leitung eines Fitnessstudios berufstätig, er als Vertriebler viel unterwegs: Für die Betreuung der zwei Kinder engagierten Yvonne Frei und ihr Mann ein Au-pair-Mädchen. Zusätzlich war Yvonne Freis Mutter für die Enkel da. Denn als ihr wegen Eigenbedarf gekündigt wurde, zog die damals 50-Jährige als Mitbewohnerin in das gemietete Haus der Familie ihrer Tochter ein. So begann der Alltag in einem Mehrgenerationenhaushalt.

„Sie hatte ihre eigene Etage im zweiten Stock und war ganz selbstständig“, erinnert sich Yvonne Frei. „Wir haben uns in Ruhe gelassen, aber oft ausgetauscht und bei Bedarf gegenseitig unterstützt.“ Mit dieser Kombination aus Distanz und Nähe, Geben und Nehmen klappte das Mehrgenerationenwohnen über zwei gemeinsame Umzüge hinweg 25 Jahre lang. „Wir haben eine wertvolle Zeit geteilt“, freut sich Yvonne Frei. „Meine Mutter hat sich eingebracht, aber nie eingemischt. Als sie älter und kränker wurde, konnte ich ihr zur Seite stehen und an schlechten Tagen Mut machen.“

Mehrgenerationenhaushalt von Großeltern bis zu Enkelkindern

Dass Großfamilien von Großeltern bis zu Enkelkindern als Wohngemeinschaft unter einem Dach leben, war früher eine gängige Wohnform. Heute ist sie hierzulande eine Seltenheit: Laut Destatis lebten 2019 „nur noch in einem von 200 Hauptwohnsitzhaushalten drei Generationen“, das bedeutet 0,5 %. Gründe sind das vermehrte Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und Autonomie, zunehmende Mobilität und die finanziellen Möglichkeiten, sich eigene vier Wände zu leisten.

Parallel nimmt die Zahl der Einpersonenhaushalte kontinuierlich zu. Deutschlandweit betrug ihr Anteil 2021 schon 40,8 %, mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der Alleinlebenden. In der Gruppe 65plus haben noch fast zwei Drittel einen Partner oder eine Partnerin, mit 85plus nur noch gut ein Drittel. Das kann zu Einsamkeit und einem Mangel an Unterstützung und Hilfestellung führen – je betagter Menschen sind, umso mehr.

Vorausschauend für Pflegebedürftigkeit planen

„Man sollte sich gut und rechtzeitig überlegen, wie man im Alter leben will“, betont Ursula Kremer-Preiß vom Kuratorium Deutsche Altershilfe e.V. „Der weit verbreitete Wunsch, möglichst lang autark zu wohnen, ist verständlich. Zu Hause ist alles vertraut; ein Wechsel löst Ängste aus.“ Doch zu dieser „Beharrungstendenz“ müssten die Bedingungen passen, das heißt, Wohnung und Haus barrierearm oder -frei und Hilfe bei Beeinträchtigungen gesichert sein. Ist dem nicht so, rät sie, frühzeitig Alternativen zu prüfen wie Betreutes Wohnen, (Pflege-)Wohngemeinschaft oder Mehrgenerationenwohnen in Hausgemeinschaften.

„Wichtig ist bei gemeinschaftlichen Wohnformen, dass jeder seinen Bereich und seine Rückzugsmöglichkeit hat und das Maß an Miteinander ausdiskutiert wird“, so die Fachbereichsleiterin Wohnen und Quartiersgestaltung. „Dann können ältere Menschen vom Austausch mit jüngeren profitieren, am modernen Leben teilhaben und im Gegenzug zum Beispiel als Leihoma oder -opa eine zusätzliche Bezugsperson für Kinder werden.“

Vom Zusammenleben in Mehrgenerationenhaushalten profitieren Jung und Alt.

Leben in einem Mehrgenerationenhaushalt

Ein wichtiges Anliegen von Ursula Kremer-Preiß ist es, „die Generationen dafür zu sensibilisieren, sich umeinander zu kümmern. Denn Sorgearbeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Diese gehen Mehrgenerationenhaushalte aktiv an. Für das Leben in einem davon hat sich auch Lorenz Wagner entschieden, als er mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter Sophia in eine alte Villa zog. Dort leben sie mit der Mutter und den beiden Großeltern seiner Frau. Beim Einzug war das jüngste Familienmitglied, Tochter Sophia, wenige Monate alt, das älteste, Urgroßvater Willi, schon über 90 Jahre.

Als „der Natur stärkstes Verjüngungsmittel“ sorgte Sophia bei der Oma und den Urgroßeltern mit ihrem Lachen und ihren Verrücktheiten für gute Laune. Im Gegenzug lernte die Kleine früh, im täglichen Zusammenleben Verständnis für ältere Menschen aufzubringen. Lorenz Wagner und seine Frau hatten mehr Zeit zu zweit, weil sich die Betreuung ihrer Tochter auf die Schultern von mehreren Personen verteilte.

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Wohnen und Pflege im Alter

Unsere Online-Pflegekurse für Interessierte jeden Alters helfen Ihnen dabei, sich auf eine Pflegesituation im Zusammenleben vorzubereiten. Zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten bieten Ihnen die Kurse praktische Anleitungen, Tipps für die Entlastung im Alltag und hilfreiche Informationen zu Pflegeleistungen – einfach online und für Versicherte der BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER kostenlos.

Mehr Infos

Wachsen mit Toleranz, Austausch und Fürsorge

Schritt für Schritt wuchsen so vier Generationen mit ebenso viel Toleranz wie Austausch, Gemeinschaftsgefühl und Fürsorge zusammen, gelegentliche Streitereien wegen unterschiedlicher Ansichten bei Ordnung, Sauberkeit, Lautstärke, Einkaufsverhalten oder Privatsphäre inklusive.

Seine eigenen Erfahrungen untermauert Lorenz Wagner mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Mehrgenerationenhäusern als „enriched environment“, in dem das Gehirn durch Begegnung, Berührung und Gespräche angeregt wird. „Das Leben in einer solchen, „reichen“ Umgebung ist mit vielen positiven Faktoren verbunden und sehr vorteilhaft für die Gesundheit“, zitiert er die Neuro-Epigenetik-Professorin Isabelle Mansuy. Lorenz Wagners Fazit, das er auch als Titel seines Buchs verwendet: „Zusammen ist man weniger alt“.

Video

Zwischen 4 Monaten und 96 Jahren: SWR-Reportage über eine Großfamilie, bei der 14 Personen mit Respekt, Toleranz und Rückzugsmöglichkeiten als „gelungene Gemeinschaft“ leben.

Lektüretipps

Bücher, Internetadressen und Podcasts mit wertvollen Tipps und Erfahrungen rund um mögliche Wohnformen im Alter:

DOWNLOAD

 
„Zusammen ist man weniger alt“ von Lorenz Wagner (Goldmann)

Anschauliche Familiengeschichte über das Leben in einem Mehrgenerationenhaushalt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum gesunden und glücklichen Altern.

„Statt einsam gemeinsam“ von Christiane Hastrich und Barbara Lueg (Eisele)

Entdeckungsreise mit Erfahrungsbericht, Experteninterviews und Faktencheck über verschiedene Wohnformen im Alter – von Senioren-WG bis Mehrgenerationenhaus.

„Neues Wohnen im Alter“ von Carina Frey und Gabriele Meister (Verbraucherzentrale NRW)

Selbstständig, gemeinsam, mit Service oder Pflege – Überblick über Wohn- und Lebensformen mit zahlreichen Tipps und Internetadressen.

„Wenn Eltern altern“ von Manfred Lappe (Verein für Konsumenteninformation)

Ratgeber mit Tipps zu praktischen Fragen und formalen Schritten sowie einem Serviceteil mit Formularen, Checklisten und Adressen von Kontaktstellen.

ARD Audiothek

WDR5-Tagesgespräch über die Frage, wie Menschen in Alter wohnen wollen und was ihrem Wunsch nach möglichst langer Selbstständigkeit entgegensteht.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Internetangebot des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit Informationen zu unterschiedlichen Wohnformen für Senioren, beispielhaften Programmen und sozialen Dienstleistungen.

Verbraucherzentrale

Wegweiser für die Suche nach der richtigen Wohnform für Senior:innen – von der altersgerechten Anpassung der Wohnung bis zu geringem oder hohem Bedarf an professioneller Pflege.

AD Magazin

Beispiele für architektonisch ansprechende Nutzungskonzepte, wenn mehrere Generationen gemeinsam leben wollen.

Zur Autorin: Als ihre Tochter klein war, hätte sich Antoinette Schmelter-Kaiser Großeltern in der Nähe gewünscht. Weil diese aber viel zu weit weg wohnten, hat sie über einen Aushang im Supermarkt eine Leihoma gesucht und gefunden. Daraus entwickelte sich eine langjährige Freundschaft.

Stand: August 2023

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