Voll im Trend: Feiern ohne Alkohol
Auf Raves, in Bars und bei privaten Partys gilt immer öfter: lieber nüchtern die Tanzfläche rocken als betrunken abstürzen. Hier sind Fakten zum Alkoholkonsum, „Sober Curiosity“ und Tipps für Mocktails & Co.
Text: Karen Cop
Alkoholkonsum in Deutschland – und seine Folgen
Ein Glas Wein zum Essen, ein Bier zum "Tatort", einen Champagner zum Zuprosten an hohen Festen — Alkohol gehört zum Alltag, es ist das Rauschmittel Nummer eins in Europa. Im Europäischen Gesundheitsbericht 2021 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegt Deutschland hinter Tschechien, Lettland und der Republik Moldau den vierten Platz mit einem durchschnittlichen Konsum von 12,8 Liter Reinalkohol pro Person und Jahr. Das Bundesgesundheitsministerium geht von rund 10 Liter Reinalkohol aus, zählt aber 7,9 Millionen Menschen in der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland, die Alkohol in gesundheitlich riskanter Form konsumieren. „Ein problematischer Alkoholkonsum liegt bei etwa 9 Millionen Personen dieser Altersgruppe vor.“
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Gesundheitliche Risiken von Alkoholkonsum
Die Deutsche Leberhilfe e.V. meldet: „Einer aktuellen Untersuchung zufolge kostet schädlicher Alkoholkonsum die Gesellschaft jedes Jahr knapp 57 Milliarden Euro.“ Damit meint sie nicht Arbeitsausfälle, sondern die Kosten der krankhaften Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Gesundheit.
„Alkohol ist ein Zellgift und kann im Prinzip jedes Organ schädigen – besonders die Leber“, erklärt Michaela Goecke, Leiterin der Abteilung für themenspezifische gesundheitliche Aufklärung in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Solange die Leber damit beschäftigt ist, das Zellgift Alkohol abzubauen, kann sie andere wichtige Stoffwechselfunktionen nur eingeschränkt übernehmen. Die Folge können schwerwiegende Veränderungen der Leberfunktion sein.“ Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum, verantwortliche Autorin des Alkoholatlas Deutschland, ergänzt: „Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Alkohol ein erheblicher Krebsrisikofaktor ist. Allein in Deutschland gehen Schätzungen zufolge jedes Jahr über 20.000 Krebsneuerkrankungen und mehr als 8.000 Krebstodesfälle auf das Konto des Alkoholkonsums.“ Darüber hinaus sei Alkohol an der Entstehung von über 200 Krankheiten beteiligt.
Feiern ohne Alkohol
Trotzdem scheint die Initiation eines bayerischen Jugendlichen immer noch darin zu bestehen, im Morgengrauen vor einem Bierzelt anzustehen, um die erste Maß zu konsumieren, wenn man Oktoberfestbilder betrachtet. Alkohol gilt vor allem in Europa als kultiviertes, soziales Bindemittel. Doch der Gruppenzwang lässt nach, zumindest in Deutschland: Seit rund 40 Jahren sinkt der Alkoholkonsum in Deutschland langsam, aber stetig und auch bei Jugendlichen geht er deutlich zurück. Laut eines Berichts der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) lag der Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die im Jahr 2004 wöchentlich Alkohol konsumiert haben, noch bei fast 20 %. 2019 waren es „nur“ 9,5 %. Mehr Spaß ohne Kater und andere Nebenwirkungen ist eines der wichtigsten Argumente gegen Abstürze mit Alkohol.
Feiern ohne Alkohol hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit
Die neue Lust auf Abstinenz scheint eine auf Klarheit zu sein! Sie wird mit mehr Energie und Gesundheit belohnt. Immer mehr Menschen kennen auch die positiven Effekte eines Alkoholverzichts oder zumindest eines auf Ausnahmeniveau gesenkten Konsums: Solange die Leber nicht unwiderruflich zerstört ist, kann sich unser großes Entgiftungsorgan selbst erneuern. „Wer auf Alkohol verzichtet, kann seinen Blutdruck und generell das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken“, nennt die Kampagne „Kenn dein Limit“ der BZGA weitere positive Gründe. Und: „Wer keinen oder nur wenig Alkohol trinkt, schläft besser.“ – „Sie werden fitter.“ – „Sie vermeiden Übergewicht“, denn Alkohol hat fast genauso viele Kalorien wie Fett. Dazu kommen die vermeidbaren Folgen des Kontrollverlusts durch Alkohol: Allein im Jahr 2021 gab es 13.628 Unfälle, bei denen alkoholisierte Personen beteiligt waren. 165 Menschen starben an den Folgen eines solchen Unfalls.
Sober Curiosity
Geplante Zeiten ohne Alkohol gab und gibt es natürlich längst. Sie fielen und fallen in die Kategorie des traditionellen Fastens, wie etwa nach den Feiertagen einen „Dry January“ einzulegen oder spätestens am Aschermittwoch eine traditionelle Alkoholpause bis Ostern zu machen. Die Leber dankt es, das Suchtpotenzial sinkt, überhaupt: Gerade nach dem vermehrten Alkoholkonsum während der Corona-Pandemie wollen viele Leute wieder weniger trinken. Der neue Sober-Trend hat aber noch einen anderen Ansatz. Es ist ein hippes Statement, „sober curious“ zu sein, also „nüchtern neugierig“, dafür braucht es keine Auszeiten. Influencerin und „Sobergirl“ Millie Gooch hat Hunderttausende von Followern und die „Sober girl society“ gegründet.
„Verzicht statt dicht“ klingt eben nicht bierernst, sondern verheißungsvoll in der Szene von New York über Tokio bis Berlin. „Wir glauben an die Kraft der natürlichen Highs“, sagt zum Beispiel DJ Gideon Bellin, der 2016 Sober Sensation gründete mit der Idee, „alle Sinne in den Mittelpunkt zu stellen und diese auf natürliche Weise anzusprechen. Dieses alternative Partykonzept funktioniert ohne Alkohol oder andere Drogen. Die Essenz einer erfolgreichen Party ist dessen soziale Energie.“ Die Events steigen in verschiedenen großen Städten (siehe Video), sind aber nur Teil einer wachsenden Bewegung.
Video
Dieses After-Movie zeigt ein paar Szenen vom Natural High Festival 2022 in Berlin. Die ersten Infos für das im Juni 2024 geplante Natural High Festival sowie den Sober Sensations im Herbst in Hamburg und Frankfurt gibt’s hier: sobersensation.com. Außerdem erzählt Gideon Bellin auf der Site von seinen Ideen.
Akzeptanz alkoholfreier Getränke steigt
In immer mehr Bars und Partylocations werden selbstverständlich alkoholfreie Drinks angeboten und auch bei Partys und Einladungen zu Hause gehört nicht mehr automatisch Alkohol dazu. „Mir geht’s überhaupt nicht darum zu missionieren“, erzählt Chris, 28, „aber ein mehrtägiger Rave wäre mit Alkohol nicht safe.“ Und Carla, die gerade ihren 19. Geburtstag gefeiert hat, sagt: „Ich brauche keinen Rausch, um Spaß zu haben, es ist genau andersrum: Von Alkohol wird mir megaschnell schlecht und Pickel kriege ich davon auch.“
Tipps für das Feiern ohne Alkohol
Fünf Tipps fürs Feiern ohne Alkohol bis zur alkoholfreien Hochzeit
1. Wie toll Saftschorlen schmecken können, zeigen immer mehr Unternehmen und Start-ups: mit aromatischen Biofrüchten, erfrischenden Zitrusaromen oder Kräutern und gutem Wasser, dafür möglichst wenig Zucker. Nicht fein genug für die Hochzeitsparty und die schwangere Braut, die prickelnd anstoßen will? Dann bietet sich ein perlender Traubensecco oder ein Secco aus roten Früchten an, der wunderschön leuchtet. Die Saftmanufakturen und Winzer arbeiten unter Hochdruck daran, auf die steigende Nachfrage mit Alternativen ohne Prozente zu antworten: Alkoholfreies Bier hat fast jeder Getränkehändler. Alkoholfreier Sekt und Wein kommen jetzt von immer mehr Anbietern auf den Markt – nach dem üblichen Gärverfahren wird ihnen der Alkohol entzogen. Auch alkoholfreie Destillate sind Trend und sorgen für umwerfende Geschmackserlebnisse in kreativen Longdrinks. Toptrend: alkoholfreier Gin!
2. Der richtige Sound macht die Stimmung. Falls alle noch etwas steif rumstehen, Musik auflegen, die zum Bewegen animiert – also im Dreiviertel- oder Viervierteltakt, dabei nicht zu monoton.
3. Wenn jemand mitgebrachten Alkohol aus der Tasche zieht, einfach ignorieren oder fragen: „Brauchst du das wirklich so dringend?“ Falls die Person anfängt zu lallen, höflich nach Hause schicken. Auf öffentlichen Sober-Partys ist Alkohol verboten.
4. Wie wäre es mit einer Mottoparty? Dresscode: Neues aus Verpackungsmüll, Space-Fantasy oder Alle-in-einer-Farbe-Kommen. Da macht schon die Vorbereitung Spaß!
5. Eis kaufen, crashen und bunte Mocktails mixen, also berühmte Cocktailklassiker, nur ohne Alkohol – „to mock“ bedeutet im Englischen so viel wie vortäuschen. Hier sind:
Rezepte für coole Mixdrinks
Ipanema, die alkoholfreie Caipirinha
Zutaten: 1 Biolimette, 4-6 TL weißer oder brauner Rohrzucker, Eiswürfel, 700 ml Ginger Ale. Wer braucht die Copacabana, wenn man eine erfrischende alkoholfreie Caipirinha jederzeit zu Hause genießen kann! Für den Ipanema spülen Sie zunächst die Limette heiß ab und schneiden Sie je nach Größe in 6 bis 8 Scheiben. Diese werden dann gemeinsam mit dem Zucker auf zwei Gläser verteilt und darin zerstoßen, zum Beispiel mit einem Holzstößel, Kochlöffel oder normalen Löffel. Für das Caipi-typische Crushed Ice geben Sie die Eiswürfel in einen Gefrierbeutel und zerkleinern diese zum Beispiel mit einer Teigrolle oder kaufen Crushed Ice im Supermarkt. Gleichmäßig auf die Gläser verteilen und mit Ginger Ale auffüllen. Wer es etwas fruchtiger mag, kann einen Teil des Ginger Ale durch Maracujasaft ersetzen.
Piña Colada
Zutaten: 150 ml Ananassaft, 50 ml Kokosmilch, 25 ml Schlagsahne, 1 EL Zucker, Eiswürfel, 2 Scheiben Ananas, 2 Cocktailkirschen, 1 EL Kokosraspel, 2 Holzspieße. Füllen Sie Ananassaft, Kokosmilch, Sahne und Zucker in einen Shaker und mischen Sie alles gut durch. Nach Belieben Eiswürfel in die Gläser geben, den Inhalt des Shakers darübergießen. Für die exotische Deko zwei Scheiben Ananas klein schneiden, jeweils die Hälfte mit einer Cocktailkirsche auf einen Holzspieß stecken, mit Kokosraspel bestreuen und über das Glas legen.
Virgin Mary
Der klassische Anti-Kater-Cocktail schmeckt auch ohne Kater! Zutaten: 400 ml Tomatensaft, 4 cl Zitronensaft, 1 TL Worcestersauce, 1–2 Spritzer Tabasco, Pfeffer, Meersalz, Eiswürfel, 2 Stangen Staudensellerie. Eiswürfel in zwei Gläser geben. Tomatensaft, Zitronensaft, Worcestersauce und Tabasco mischen und den Mix zu gleichen Teilen darübergießen. Abgerundet wird die „jungfräuliche Mary“ mit Meersalz und frischem schwarzen Pfeffer. Zum Schluss eine Stange Staudensellerie in jedes Glas stellen!
Die Rezepte wurden uns freundlicherweise von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Verfügung gestellt. Mehr davon? Hier: kenn-dein-limit.de
Zur Autorin: Karen Cop ist Gesundheitsjournalistin und erlebt zum Glück schon ein High, wenn sie durch die Natur radeln darf. Und wenn die Musik genug Bässe hat, tanzt sie Nächte durch – dagegen wirkt Alkohol wie ein Schlafmittel.
Stand: Februar 2024
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